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Schach und Fußball
Königssicherheit - Figurenaktivität - Bauernstruktur - Raumvorteil - Materialvorteil - Zentrumskontrolle - Fazit

Materialvorteil

Logisch, wer nur mit 8 Mann auf den Platz läuft oder während des Spieles 2 Spieler per roter Karte oder Verletzung verliert, hat beim Fussball einen unbestrittenen Nachteil. Plötzlich kann man ohne den Starstürmer nach vorne keinen Druck mehr machen, nach Ausfall des Weltklasse-Verteidigers können die gegnerischen Stürmer nach was sie wollen. Klare Sache.

... und beim Schach?

Auch hier merkt man schnell, dass man auf die schiefe Bahn gerät, wenn einem zuviele Bauern und Figuren abhanden kommen, die nicht auch dem Gegner fehlen. Man kann Felder und andere Figuren nicht mehr so gut beschützen. Man kann dem Gegner nicht mehr genügend Verteidiger in den Weg stellen. Und am Ende kann ein einzelner Bauer im Endspiel die Entscheidung bringen, wenn er es schafft, auf der achten Reihe zur Dame zu werden. Der große Unterschied zum Fussball besteht darin, dass es im Schach möglich ist, die Bedeutung eines Materialvorteil nach und nach zu vergrößern, indem man Figuren abtauscht. Ein einzelner Mehrbauer ist vielleicht im Mittelspiel auf einem vollen Brett noch nicht so wichtig, wenn aber alle Figuren abgetauscht werden und nur noch die beiden Könige und dieser einzelne Mehrbauer im Endspiel übrig sind, dann wird der Bauer zum spielentscheidenden Faktor. Und je besser die Spieler sind, umso entscheidender wirkt sich ein Materialvorteil aus, denn die starken Spielen beherrschen die Techniken, mit denen man solche günstigen Abtausche erzwingen kann. Im Fussball ist der Ausfall eines Spielers nicht so entscheidend, selbst im Finale einer Weltmeisterschaft, kann man sich noch mit 10 gegen 11 behaupten. Man stelle sich vor, auf dem Fussballplatz könnte man auch "Spieler abtauschen", so lange, bis nur noch ein einsamer Torwart gegen den anderen Torwart spielt, dieser aber noch einen Stürmer an seiner Seite hat. Dann stünde der einzelne Torwart im Spiel 1 gegen 2 ebenso auf verlorenem Posten wie es oft der einsame König gegen König und Bauer ist.

Von allen unseren Spielfakttoren ist der Materialvorteil derjenige, der am einfachsten zu erkennen ist: Man muß ja nur die Klötzchen zählen! Die anderen Faktoren sind schwieriger zu beurteilen: Sind meine Figuren wirklich aktiver? Habe ich echten Raumvorteil? Stehen meine Bauern besser? Mitunter sind diese Fragen nicht so eindeutig zu beantworten. Nur beim Material ist die Sache einfach und deshalb ist die Materialverteilung auch das Kriterium, dass man bewusst oder unbewusst immer zuerst beachtet (ob das bei sehr starken Spielern vielleicht anders ist, weil sie mehr von dem Spiel verstehen, weiß ich nicht). Für den Neuling ist es daher wichtig, dass er sich nach jedem Zug des Gegners zwei einfache Fragen stellt und dies beantwortet:

1. Kann ich jetzt etwas schlagen?
2. Kann er mir im nächsten Zug etwas schlagen?

Das muss wirklich in Fleisch und Blut übergehen! Also bitte:

1. Kann ich jetzt etwas schlagen?
2. Kann er mir im nächsten Zug etwas schlagen?


Im Englischen nennt sich diese kurze Prüfung Blunder Check (Blunder = Patzer), die kurze Prüfung auf grobe Drohungen und grobe Fehler. Erfahrene Spieler machen diese Check als Automatismus nach jedem Zug - was nicht heißt, das er immer funktioniert. Egal in welcher Spielklasse, egal in welchem Wettbewerb - Spieler verlieren immer wieder Figuren, indem sie diese Fragen entweder vergessen oder nicht sorgfältig genug geprüft haben. Im Blitzschach ist oft keine Zeit dafür, da werden die Figuren beinahe reihenweise "eingepatzt", das kennt jeder Spieler. Aber auch bei langer Bedenkzeit passiert es hin und wieder, sogar den besten Spielern der Welt. Wie z.B. dem besten deutschen Spieler Arkadi Naiditsch in einer aktuellen Partie gegen den Niederländer Robin van Kampen: Spielern vom Kaliber Naiditsch's passiert so etwas so alle paar Jahre, weil ihre Frühwarn-Systeme im Normalfall jede Bedrohung sofort wahrnehmen. Und so ein Frühwarn-System muss man sich mit viel Spielpraxis antrainieren. Also nochmals:
1. Kann ich jetzt etwas schlagen?
2. Kann er mir im nächsten Zug etwas schlagen?

Nehmt Euch ein einen Moment für diese Prüfung. Der berühmte Großmeister Paul Keres aus Estland sagte dazu: Der Schachspieler soll auf seinen Händen sitzen! Damit er erst einen Moment überlegt und dann zieht.

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